Fahrständer-BAZ im Anwendungsfeld Maschinenbau

Erfolgsrezept ‘Selber machen!‘

Schechtl Maschinenbau ist ein Hidden-Champion in der Dünnblechbearbeitung und bedient mit seinen Maschinen das Handwerk ebenso wie die Industrie. Dank einer kundenindividuell gestalteten Schwenkbrücken-Maschine von Matec wurde die Eigenfertigung nachhaltig gestärkt.

von Helmut Damm, WB Werkstatt + Betrieb

Rückblende: In der von ihm im Jahr 1910 gegründeten Schmiedewerkstatt stellt Josef Schechtl anno 1932 dank einer genialen Eingebung im wahrsten Sinne des Wortes die ‘Weichen‘ für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg: Er montiert zwei gewöhnliche Eisenbahnschienen auf ein Gestell, schweißt daran einen Flachstahl und schafft so die erste Schechtl-Abkantmaschine ‘KS 1‘. Über die folgenden drei Familiengenerationen hinweg gelingt der Aufstieg zu einem heute international anerkannten mittelständischen Maschinenbauunternehmen mit Sitz im oberbayerischen Edling. Gut 30 Millionen Euro Umsatz generieren die rund 120 Mitarbeitenden heutzutage unter der Leitung von Urenkelin und Geschäftsführerin Maria Schechtl.

Vom Spengler oder Dachdecker über Fassaden- und Lüftungsbauer bis hin zu industriellen Blechbearbeitern – Schechtl unterstützt in erster Linie die Baubranche in Deutschland, Europa und Nordamerika mit Schwenkbiegemaschinen und Tafelscheren in manuellen und CNC-gesteuerten Ausführungen (Anteil 60:40). Rund 2000 Maschinen pro Jahr werden über den Fachhandel in 52 Länder verkauft (60 Prozent Exportanteil) und landen – bei manueller, kleiner und damit mobiler Ausführung – auch einmal außerhalb der
Werkstatt, etwa auf einem zu reno-vierenden Kirchendach.

Eigenfertigung genießt bis heute höchstes strategisches Ansehen
'Die Hand dran haben' lautet eine Schechtl-Maxime, die meint, dass alle Maschinen nicht nur in Deutschland sondern so weit es nur irgendwie geht in Eigenregie in der mittlerweile auf
10 000 m2 angewachsenen Produktionsfläche in zwei benachbarten Werksteilen gefertigt werden. Ausnahmen wie Wärmebehandlung oder Zukaufteile werden nur an langjährig verbundene, bevorzugt regionale Partner vergeben. Inhaberin Maria Schechtl: „Wir investieren besonders in eine positive, vertrauensvolle Atmosphäre, in das Wissen der Mitarbeiter und in einen tragfähigen Mitarbeiterstamm. Hierfür ist unsere eigene Ausbildung mit in der Regel drei Feinwerkmechanikern und einem Mechatroniker pro Lehrjahr elementar. Und wir investieren natürlich in die Technologie unserer Eigenfertigung, schließlich wollen wir aus Ideen zukunftsfähige Lösungen generieren, die dem Spenglerhandwerk den Alltag erleichtern.“



Das 5-Achs-Fahrstän- der-Bearbeitungszentrum Matec 40HV in der Eigenfertigung von Schechtl: Die Schwenkbrückenmaschine mit HV-Schwenkkopf beseitigte 2022 einen Kapazitätsengpass in der Langteilfertigung und sorgt seitdem für eine höhere Produktivität © Hanser


Schienenfräszentrum 'Matec 40HV'
2021 gab es akuten Handlungsbedarf in puncto Maschinenpark. In Ermangelung einer passenderen Maschine waren bis dahin die variantenreichen schlanken und bis zu 4 m langen  Aufnahmeschienen der Schwenkbiegemaschinen (eine Kernkomponente) auf einer dafür überdimensionierten Portalfräsmaschine bearbeitet worden.

Infolge eines sich zuspitzenden Kapazitätsengpasses – eine neue Baureihe mit entsprechenden zu fertigenden Großkomponenten schickte sich an ein Renner zu werden – gingen Aufträge nach extern, ein Zustand, der den wirtschaftlich denkenden ‘Selbermachern‘ bei Schechtl ein Dorn im Auge war. So erteilte Maria Schechtl den Auftrag an Tobias Betzl, Leiter Langteilfertigung, und an Rudolf Ramsl, CAM- und Zerspanungsfachkraft, sich um die Auswahl und Beschaffung einer dafür bestmöglich geeigneten Maschine zu kümmern.

„Dieses Vertrauen in uns, eine für ein Unternehmen in unserer Größen-ordnung nicht alltägliche Investition federführend zu einem guten Ergebnis zu bringen, war Druck und Anerkennung zugleich“, wie Tobias Betzl es empfunden hat. Auf den Tipp des Produktionsleiters hin kontaktierten die beiden Projektverantwortlichen auch die Firma Matec, bekannt für ihre kundenindividuell gestalteten Fahrständer-Bearbeitungszentren. Das seitens der Köngener auf Schechtl zugeschnittene ‘Schwenkbrücken‘-Konzept auf Basis einer ‘Matec 40HV‘ bekam im Rahmen des angestellten Benchmarks schließlich den Zuschlag.

Markus Gmelin, heute Exportleiter bei Matec, betreute das Projekt und den Kunden von Beginn an und ist bis heute geschätzter Ansprechpartner bei Schechtl: „2024 feiern wir das 30-jährige Jubiläum unseres HV-Schwenkkopfkonzepts, das wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Bearbeitung solch langer und schmaler Bauteile bei Matec zur Paradedisziplin wurde. Ich würde sogar behaupten, dass wir mit unseren Schwenkbrückenmaschinen Marktführer sind. Das hat den unschlagbaren Vorteil, dass wir über zahlreiche Referenzkunden in diesem Bauteilsegment verfügen, deren positive Erfahrungen wir für den Nachweis der Praxistauglichkeit gegenüber potenziellen Kunden wie Schechtl nutzen können. Selbstverständlich gab es auch eine Testbearbeitung in Köngen und entsprechende Vorabnahmen.“



Schwenkbiegemaschine von Schechtl: Zu erkennen ist die obere Führungsschiene, die in kundenspezifischen Versionen und mit Längen bis 4200 mm in maximal zwei Aufspannungen auf der Matec 40HV gefertigt werden © Hanser


‘Lego gespielt‘, bis die Maschine auch räumlich perfekt in die Halle passt
Das fünfachsige ‘Schechtl‘-Modell der HV-Baureihe (HV steht für horizontal- vertikal, sprich, für die Ausstattung mit einer stufenlos um ±105° drehbaren B-Achs-Schwenkkopf-Hauptspindel) ist mit einem X-Verfahrweg von 5000 mm konzipiert, bei 1025 mm in Y und maxi- mal 1100 mm in Z (900 mm wenn der Kopf vertikal steht). Das ist perfekt konfektioniert um die aktuell maximal 4200 mm langen Führungsschienen auch an einem Ende stirnseitig bearbeiten zu können. Der bodeneben begehbar gestaltete Maschinenraum ist mit einem festen Maschinentisch ausgestattet, auf dem die Schwenkbrücke (Kippbereich der A-Achse ±90 °) mit beidseitigem Antrieb angeordnet ist.

So weit die maschinenbauliche Basis. Geliefert wurde jedoch ein Ge-samtkonzept, das zahlreiche Optionen beinhaltet und, wie Markus Gmelin es ausdrückt, „immer ein bisschen wie betreutes Legospielen ist, was die optimale Auswahl und Anordnung all unserer Optionen und Variablen betrifft. Es geht ja stets um das wirtschaftlich Sinnvolle und nicht um das technisch Machbare. In diesem Fall war der beengte Aufstellplatz nicht ganz trivial und dennoch konnten wir, lediglich abgesehen von einem zusätzlichen Beistell-Werkzeugmagazin, am Ende alle Kundenwünsche von Schechtl erfüllen.“



Nicht nur erfolgreich, sondern auch vertraut in der Zusammenarbeit (von links): Leiter Langteilfertigung Tobias Betzl, Matec-Exportleiter Markus Gmelin, CAM- und Zerspanungsfachkraft Rudolf Ramsl sowie Fräser und Programmierer Robert Bürger © Hanser


Das perfekte Paket
Als Werkzeugschnittstelle wurde SK50 gewählt, so konnte man viele Bestands- werkzeuge und -aufnahmen verwenden. Der Vorrat wurde mit 60 Werkzeugen so umfangreich wie räumlich möglich ausgeführt. Auch die Steuerung von Heidenhain, es ist eine TNC 640 adaptiert, war Wunsch, sowohl weil die Steuerung des Herstellers bereits bei den Mitarbeitern bekannt und damit beherrscht war, als auch, so CAM-Experte Rudolf Ramsl, „weil sie sich für die bei uns praktizierte Werkstattprogrammierung als äußerst intuitiv im Umgang erwiesen hat. Wir fertigen variantenreich – die Schienen in mittleren zweistelligen Losgrößen; eilige Ersatzteile fertigen wir aber auch als Einzelteile. Hierbei arbeiten wir sehr effektiv mit Tabellen und Makros.“



Mehrseitige Komplettbearbeitung: Die Kombination aus 5000 mm X-Achse, Schwenkkopf mit ±105° B-Achse und Schwenkbrücke mit ±90° A-Achse sowie Nullpunkt-Spannsystem ermöglichen prozesssicheres und ergonomisches Arbeiten © Hanser


Die Hauptspindel dreht bis 8000 min-1 und damit doppelt so schnell wie die Spindel der Portalfräsmaschine, was sich angesichts der Vielzahl der einzubringenden Bohrungen und Gewinde alleine schon als hauptzeithalbierend erwiesen hat. Für schnelles Rüsten und wiederholgenaues Spannen wurde ein Nullpunkt-Spannsystem von Zero Clamp integriert. Hierauf sind – nicht nur, aber vorwiegend– verschieden viele manuelle Schraubstöcke angeordnet, je nach Bauteillänge. Als in mehrfacher Hinsicht wertvolle Option haben sich die beiden Farbkameras im Innenraum erwiesen. Sie erlauben die Prozessüberwachung auch bei Arbeiten auf der vom Bediener aus abgewandten Seite der Schwenkbrücke und werden zur Dokumentation von Aufnahmesituationen genutzt, die an der Steuerung jederzeit abrufbar sind. Modernes Wissensmanagement!

Abschließend
sei erwähnt, dass auch Werkzeugbruchkontrolle und Infrarottaster zum Paket gehören. Ebenso die Fernwartung, die seitens der Bediener genutzt wird, um schnell eine Hilfe bei Auffälligkeiten zu erhalten und um unnötige und kostenintensive Service- Einsätze zu vermeiden. „Das hat sich bewährt und kann ich nur empfehlen“, so Abteilungsleiter Tobias Betzl.



Prädikat empfehlenswert: Die beiden als Option gewählten Innenraum-Farbkameras liefern dem Maschinenpersonal auf einem gesonderten Monitor oberhalb des TNC-640-Bedienfeldes einen permanenten Einblick in die Prozessabläufe und ermöglichen zudem gezielte Dokumentationen, etwa von Aufspannsituationen, die im Wiederholfall an der Steuerung einsehbar sind © Hanser


Leistung, Service, Miteinander: absolut lobenswert
Dass die 40-t-Maschine mit SK-50-Spindel die Bearbeitung von Aluminium und Stahl dauerhaft würde wegstecken können, wollte man bei Schechtl doch zumindest einmal austesten. So wurde bei Probebearbeitungen mit einem 160er-Scheibenfräser auf 4000 mm Länge 35 mm zugestellt und ‘drauflos geschruppt‘. Mühelos erfolgte dabei nicht nur die Leistungsentfaltung, sondern auch die erforderliche Genauigkeit am geschlichteten Fertigteil von 5/100 mm ist im Alltag über die komplette Länge prozesssicher zu erreichen.

Bleibt die Beurteilung der Zusammenarbeit mit dem zumindest vor gut zwei Jahren noch unbekannten Partner Matec aus Schechtl-Sicht. Leiter Langteilfertigung Tobias Betzl: „Wir haben eine sehr gute, rundum kundenorientierte Beratung erhalten und fühlen uns bis heute mit Matec wohl. Wir würden uns mit den Erfahrungen der letzten zwei Jahre zweischichtiger Praxis definitiv genau wieder so entscheiden.“


Dieser Bericht wurde in der Fachzeitschrift WB Werkstatt+Betrieb 5/2024 veröffentlicht.

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