Maschinen- und Anlagenbau

Sechs Wochen Arbeit für wenige Minuten Lebensdauer

Eine matec-30 P >von der Stange< erreicht bei Microtechniek in Beverwijk auf 4 m Verfahrweg Positioniergenauigkeiten von 3,5 um. Damit verschafft sich der Aerospace-Experte eine Sonderstellung innerhalb der Branche.

von Helmut Damm

Manchmal ist es der Anwender, der dem Werkzeugmaschinenhersteller die Leistungsfähigkeit seiner Maschinen vor Augen führt. Maschinenspezifikationen werden dabei deutlich übertroffen, was nichts heißen muss, denn diese Spezifikationen beinhalten in der Regel (aus Gewährleistungsgründen) die Mindestwerte wichtiger Leistungsaspekte. Dass es jedoch möglich ist, mit einer 5-Achs-Portalfräs-
maschine in Gantry-Bauweise vom Typ matec-30 P Positioniergenauigkeiten von 3,5 um über 4 m Verfahrweg zu erzielen, ist selbst für Hersteller Matec eine nicht alltägliche Hausnummer.
Derartige Qualitätsmerkmale der 30P sind laut Microtechniek-Geschäftsführer Clement Kieftenbeld jedoch vonnöten, um sich im Highend-Markt >Aerospace< behaupten zu können: »Wir fertigen auf unserer Matec Triebwerksrahmen für die Raketenstufen der europäischen Trägerrakete Ariane 5 sowie für deren kleineren Bruder Vega. Weiterhin fertigen wir Halterungen für die Treibstoffbooster der Ariane. Dar- über hinaus bearbeiten wir Solarpanel-Platten für die Galileo-Satelliten, die aus einem ultraleichten, aber schwer zerspan-baren Spezial-CFK-Compound bestehen. Im Fall der Panels bewegen wir uns in einer extremen Genauigkeitsklasse. Die Maschine hat sich als deutlich maßhaltiger erwiesen, als es uns von Matec beim Kauf zugesichert wurde.


Quelle: Galileo
Satellit für das europäische Galileo-Navigationssystem: Für die Satelliteh fertigen die Aerospace-Experten die aus CFK-Compounds bestehenden Platten für die Solarpanels. Alle Präzisionsarbeiten werden auf einer Portalfräsmaschine matec-30 P erledigt

Einmal jährlich Kalibrierung mittels Laservermessung
Damit die großen und komplexen Bautei¬le in der geforderten Präzision von der Maschine kommen, wurden entsprechende Maßnahmen ergriffen. Bei der Anschaffung der Maschine im Jahr 2007 wurde ein solides Fundament errichtet und die Fertigungshalle mithilfe einer Klimatisierung Einmal pro Jahr wird zudem die Maschine einer Kalibrierung mittels Laservermessung unterzogen und entsprechende Korrekturwerte in der Steuerung, einer Heidenhain-530iTNC, hinterlegt. Die Möglichkeiten der Software-Kompensation sind jedoch limitiert. Um die bisher erzielte Positioniergenauigkeit von 3,5 um über die kompletten 4 m X-Verfahrweg zu erreichen, ist eine solide Maschinenmechanik mit möglichst geringem Umkehrspiel in allen Komponenten unumgänglich. Nachgebessert werden musste bisher lediglich an der Motorspindel.


©Hanser
Jede Menge Späne: Die Portalfräsmaschine matec-30 P entwickelt mit ihrem 2-Achs-Gabelkopf eine sehr hohe Zerspanleistung. Die Späne werden mit einer Späne-Brikettieranlage zu handlichen Briketts gepresst und füllen dennoch einen Lkw pro Tag

Bei den Panels musst der Wettbewerb passen
Die Verfahrwege der matec-30 P mit festem Tisch und um 4000/3000/1100 mm (MI/Z) verfahrendem Portal werden nicht selten ausgenutzt. Die Motorspindel sitzt in einem 2-Achs-Gabelkopf, sodass nicht nur mit angestellten Achsen, sondern auch simultan in bis zu fünf Achsen zugestellt werden kann. Als alltagstauglicher Clou hat sich der Vakuum-Spanntisch erwiesen. Er fixiert alle Bauteile schnell und sicher Zehn Panels mit Abmessung von 2,5 X 1,2m erhält jeder Satellit, womit er energetisch etwa sieben Jahre am Leben erhalten werden kann. Die Panels bestehen aus wabenförmig laminiertem kohlenstoff-faserverstärktem Kunststoff. Sie sind über die komplette Fläche hinweg mit Hunderten von Bohrungen mit 1,5 bis 60 mm Durchmesser zu versehen, deren Lage mit ±0,025 mm toleriert ist. Anschließend wird noch die Kontur überfräst. Auch hier ist die Maßhaltigkeit ein absolutes Muss. Gemessen werden die Bauteile übrigens zu hundert Prozent ebenfalls auf der Maschine - weil ein erneutes Aufspannen nicht praktikabel ist und auch, weil die 30 P einer Messmaschine in puncto Genauigkeit in nichts nachsteht. Diese Tatsache hat sich Microtechniek sogar vom Kunden zertifizieren lassen.
Bei der Fertigung der Solarpanel-Platten haben sich die Niederländer erneut als Problemlöser erwiesen. Andere Anbieter waren bisher nicht in der Lage, die Teile anforderungs- und preisgerecht zu fertigen. »Zerspanungsarbeiten an Großteilen, die in den Niederlanden für die Aero-space-Gemeinschaftsprojekte Galileo und Ariane geleistet werden, finden mittlerweile hier bei uns auf der matec-30 P statt«, berichtet Clement Kieftenbeld.


©Hanser
Vorher-nachher: Die Funktionsmaße der Segmente für den Triebwerksrahmen sind mit Toleranzen von wenigen Mikrometern bemaßt, Dank der Kalibrierung kann die matec-30 P diese Werte nicht nur prozesssicher halten, sie eignet sich auch als Messmaschine

95 Prozent Zerspanrate
In einer nicht minder anspruchsvollen Klasse bewegen sich die zu fertigenden Triebwerksrahmen. Bis zu 450 t Schubkraft zerren bei der Ariane an dem in acht Segmenten gefertigten Rahmen aus hochfestem geschmiedetem Aluminium. Das Material ist für die kommenden fünf Jahre im Voraus bestellt, so schwer zu beschaffen ist es.
Die letzte Raketenstufe verrichtet keine 20 s ihren Dienst, bevor sie im All verglüht, und beschleunigt die Rakete auf 28000 km/h. Aktuell steht das Galileo-Projekt auf dem Programm, das europäische Navigationssystem, für das 27 Satelliten in die geostationäre Umlaufbahn gebracht werden müssen. Ab 2015/16 soll uns dieses System auf 1 cm genau durch den Verkehr lotsen. Microtechniek benötigt sechs bis acht Wochen für die Fertigung eines kompletten hiebwerksrahmens für die Ariane 5, Vom Start bis zum Aussetzen der Satelliten vergehen gerade einmal viereinhalb Minuten. Bis auf die beiden recyclierbaren Booster bleibt nichts von der Rakete übrig,
Bislang war Microtechniek mit acht hiebwerksrahmen pro Jahr beauftragt —ab 2012 sollen es neun sein. »Ausfallzeiten sind da nicht vorgesehen«, sagt der Geschäftsführer. »Die Zuverlässigkeit der Maschine gab jedoch bislang trotz der extremen Zerspanvolumina —95 Prozent eines jeden Rohsegments werden in Späne verwandelt—keinen Anlass zum Zweifeln.« Mit zum Erfolg beigetragen hat der Matec-Vertriebspartner in den Benelux-Staaten, Limas CNC Machinery. Neben einem reibungslos funktionierenden Service wurde bereits bei der Konfiguration der Maschine auf die Anforderungen bei Micro-techniek eingegangen.
Limas-Geschäftsführer Hans Blomen: »Aus dem Matec-Baukasten haben wir die sehr solide Portalmaschine gewählt, diese mit einem 2-Achs-Gabelkopf versehen und eine Spindel integriert, die mit 30 kW Leistung und 15 000 min' Höchstdrehzahl, einer HSK63-A-Schnittstelle sowie einer inneren Kühlmittelzufuhr mit bis zu 20 bar Druck sinnvolle Leistungsparameter aufweist. Die 96 Werkzeuge im Magazin haben sich ebenfalls als ausreichend erwiesen. Natürlich macht es mich stolz zu sehen, welche Leistung und welche Genauigkeitswerte die Maschine bei Micro-techniek entfaltet. Es freut mich, dass wir so einen Beitrag zum nachhaltigen Erfolg unseres Kunden geleistet haben.«

©Hanser
Hochleistungs-Taschenfräsen: Mit einem 25-mm-VHM-Fräser werden bei 22 mm Schnitttiefe und 7 m/min Vorschubgeschwindigkeit Aluminiumspäne gemacht; die Leistungsaufnahme erreicht dabei noch nicht einmal 60 Prozent des Maximalwertes



Dieser Bericht wurde in der Fachzeitschrift W+B, 3/2012 veröffentlicht.
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