Die Erben des Erfinders
Die Firma Durst Phototechnik ist Meister im Sich-neu-Erfinden, denn Technologien kommen und gehen leider. Den Fortbestand sichert eine systemische Innovationskraft, die auf den Erfinder und Firmenmitgründer Julius Durst zurückgeht, und Technologiepartner wie Matec.von Helmut Damm
Sie besitzen einen Farb-Tintenstrahldrucker? Bisschen Fotos ausdrucken, hin und wieder eine bunt versenden, und das auch nur solange die Tinte nicht eingetrocknet ist? Oder gehen Sie mit Ihren digitalen Schnappschüssen zu einem Discounter und nutzen dort den Sofortdruck? So oder so: Sie bewegen sich im Amateurbereich! Wenn Sie erleben möchten, was im Profisegment möglich ist – welche Qualitäten auf welchen Materialien und in welchen Abmessungen – dann wenden Sie sich an die Durst Phototechnik AG im italienischen Brixen und im österreichischen Lienz. Sie werden Augen machen!
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Etikettendruck auch für Kleinserien
Ein bewegter Lebenslauf
Hier werden mittlerweile professionelle Inkjet-Maschinen für Druckbreiten von 1,6 bis 5 m hergestellt. Diesem Geschäftsfeld gingen seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 1936 durch die Gebrüder Durst jedoch zahlreiche andere voraus. Verbindendes Element ist dabei die Fotografie, Basis wiederum ist ein bis heute anhaltender Hang zum Erfindertum, dem zahllose Patente entsprungen sind. Der Werdegang im Schnelldurchlauf: Durst begann mit der Herstellung von Reprogeräten für den Postkartendruck, dem eine Ära des Fotoapparatebaus folgte, unter anderem dank der Erfindung der automatischen Belichtung. Der Unfalltod des Erfinders Julius Durst Mitte der 60er und das Aufkommen der japanischen Fotoapparateindustrie führte zur Aufgabe dieses Segments und der Hinwendung zu Amateurvergrößerern, mit denen sich ›Hobbyknipser‹ zu Hause im Keller Fotos vergrößern und Negative auf Fotopapier entwickeln konnten. Dem Zusammenbruch des Hobbysektorsfolgte der Schwenk hin zu Profi-Vergrößerern, Anfang der 90er-Jahre auch im Digitalbereich und für Belichtungsbreiten bis 1,3 m. Neben den Fotobelichtungsmaschinen wurden sogenannte Mini-Labs für professionelle Fotolabore hergestellt. Als klar wurde, dass Fotovergrößerungen und Entwickeln mit Fotopapier und Laserlicht kein Wachstumsmarkt mehr sind, folgte der bislang letzte Schwenk hin zur Inkjet-Technik und dem Auftragen von Farbtröpfchen direkt aufs Medium. Heute ist Durst im Inkjet Profibereich Markt- und Innovationsführer.
Inkjet – Qualität benötigt Präzision
Die Anwendungsgebiete hochmoderner Inkjet-Tintenstrahldruckmaschinen im Profisegment sind mannigfaltig: Bedruckt werden unter anderem
- flexible Materialien wie beispielsweise Poster oder Lkw-Planen für die Werbeindustrie
- Keramik- und Betonfliesen oder -platten, unter anderem für naturgetreue Imitationen von Marmor oder Holz
- Etiketten und Aufkleber
- Stoffe und Textilien, insbesondere auch für die Modeindustrie
- große Medien im sogenannten Large-Format-Druck (von der Rolle)
- Verpackungsmaterialien jeglicher Art. Die Druckmaschinen sind mit hochwertigen Druckköpfen, sogenannten Slots, versehen. Für das Druckmedium gibt es prozesssichere Befüllungs-, Zuführungs-, Aufbewahrungs- und Reinigungskonzepte. Die Druckköpfe, die größenabhängig bis zu acht Slots tragen, werden im Reinraum montiert und hochpräzise justiert. Was darüber hinaus benötigt wird, ist viel Elektronik, Software, Peripherie und natürlich eine solide und präzise mechanische Basis, die grundlegend für die Qualität des Druckergebnisses ist.
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Das zweite 5-Achs- Fahrständer-BAZ aus dem Hause Matec bei Durst in Brix, eine matec-30 HVU; im Vordergrund ein montierter Täger mittlerer Größe für den Druckschlitten.
Inhouse-Fertigung von Kernkomponenten
Mit Ausnahme der Druckmaschinenbetten und besonders langer Träger, auf denen der Druckkopf-Schlitten verfährt, werden alle wichtigen Kernkomponenten in der eigenen mechanischen Fertigung hergestellt. Vor vier Jahren wurde mithilfe des schwäbischen Werkzeugmaschinenherstellers Matec mit Sitz in Köngen ein Zulieferproblem am Durst-Standort in Lienz gelöst. Durchlaufende Medien, die zum Bedrucken mittels Vakuum eben gehalten werden, laufen über eine Führung aus, die mit einer sehr genauen Schräge unter verschiedenem Winkel über die komplette Breite hinweg zu versehen ist. Bis dato gab es am Markt keine ausreichend stabile Fräsmaschine mit Schwenkbrücke, um diese wiederkehrende Arbeit adäquat intern zu bewältigen.
Dieses Problem wurde mithilfe des in Österreich und Norditalien im Maschinenvertrieb beheimateten Mario Stiebinger gelöst, der auf die hochsteife und über die kompletten Verfahrwege hinweg sehr präzise fünfachsige Fahrständermaschine matec-30 HV mit beidseitig gelagerter und geteilter/koppelbarer Schwenkbrücke verwies. Stiebinger: »Matec baut äußerst stabile und modulare Fahrständermaschinen, wobei viele kundenspezifische Sonderwünsche flexibel aus einem Standardkatalog und dadurch zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis realisiert werden können.«
Die erfolgreiche Probebearbeitung führte zur Anschaffung eines Modells mit Verfahrwegen von 6000/1000/1100 mm in X/Y/Z und einem NC-Kopf mit ± 105 ° Schwenkbereich. Darin sitzt eine HSK63-Motorspindel mit 18 000 min-1 Höchstdrehzahl, 100 Nm Drehmoment und einer Leistung von 16 kW (bei 40 Prozent ED), die sich perfekt für die vorherrschende Aluminiumbearbeitung eignet.
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Blick in die 7-m-Maschine in Brixen: die matec-30 HVU mit geteiltem Arbeitsram, NC-Rundtisch (links) und 2-Achs-Universal-Schwenkopf (rechts)
Schwenkbrückenkonzept überzeugt
Reinhard Angerer, Fertigungsleiter am Standort Lienz, erklärt: »Unsere Anforderungen an die Maßhaltigkeit der Bauteile sind hoch. Die Wellenhalter für den Bandaufbau des Medientransports mit bis zu 3 m Länge sind übersät mit Funktionsmaßen. Wir bearbeiten diese Wellenhalter aus dem Vollen und unter Einsatz des Schwenkkopfs an allen sechs Seiten. Für die Genauigkeit beim Umspannen setzen wir auf Nullpunktspanntechnik, schließlich müssen alle Stiftbohrungen mit wenigen Hundertsteln Toleranz zu den Flächen passen. Was uns neben der hohen Steifigkeit am Matec-Konzept besonders in die Karten spielt, ist die geteilte Schwenkbrücke, sodass wir selbst im Pendelbetrieb mit adaptierter Trennwand in beiden Arbeitsräumen mit angestellter Achse im 3+2-Achs-Betrieb nebenzeitarm produzieren können.«
Für die Träger des Druckkopfschlittens bearbeiten die Lienzer Platten bis 1,7 m Länge, die anschließend verschachtelt montiert werden. Dabei darf der zusammengesetzte Träger über die gesamte Länge von bis zu 6,5 m maximal eine Abweichung in der Geradheit von 0,6 mm und eine Verwindung von 0,1 mm aufweisen. Heruntergebrochen auf eine einzelne Platte bedeutet dies eine Geradheitstoleranz von 0,05 mm über die gesamte Länge. »Man darf dabei nicht vergessen, dass es sich um Aluminium handelt, das sich bei einem Temperaturunterschied von einem Grad um 0,03 mm pro Meter ausdehnt beziehungsweise zusammenzieht«, betont Angerer.
Christoph Hanser-Kohlmaier ist einer der Maschinenführer an der matec-30 HV. Mithilfe des 48er Werkzeugmagazins, das im Ständer mitfährt, und eines zusätzlichen Magazins mit 60 Werkzeugen, das es ihm ermöglicht, parallel zur Hauptzeit Werkzeuge ein und auszuwechseln, kann er alle Folgeaufträge nebenzeitarm vorbereiten. Als Steuerung dient eine Siemens 840D powerline, die Maschine ist zudem mit einer IKZ bis 70 bar, einer Kühlmitteltemperierung, einem Linearantrieb in der X-Achse mit 60 m/min Eilgang, einem 3D-Funk-Messtaster und einer Werkzeugbruchkontrolle ausgestattet.
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Vorratsbehälter für das Druckmedium mit hohen Anforderungen an die Oberflächengüte Ra
Matec 2 mit Universal-Fräskopf
Die durchweg positiven Erfahrungen mit der Schwenkbrückenmaschine in Lienz haben sich bis ins Stammwerk in Brixen herumgesprochen. Bei teilweise gleichen Anforderungen in Bezug auf die Trägerfertigung, jedoch kombiniert mit präzisen Kernkomponenten aus dem Innern der Inkjet-Maschinen, die wie in Lienz in Einzelteilen und Kleinserien bis 20 Stück zu fertigen sind, hat sich Fertigungsleiter Peter Larcher im Jahr 2013 für die Beschaffung einer ebenfalls fünfachsigen matec-30 HVU mit 2-Achs-Universalschwenkkopf, eingelassenem NC-Rundtisch mit 1600 mm Störkreis und einem X-Verfahrweg von 7000 mm entschieden.
Unterschiede gibt es auch bei der Steuerung, bei der es sich um eine Siemens 840D solutionline handelt, beim etwas größeren Y-Verfahrweg von nunmehr 1070 mm, dem Gesamt-Werkzeugvorrat von 120 Werkzeugen sowie zweier Zusatzpakete, einerseits für die 5-Achs-Bearbeitung, andererseits in Form eines Genauigkeitspakets. Mit Letzterem sichert Matec seinen Kunden eine Winkligkeit kleiner 0,015 mm auf 1000 mm, eine Geradheit von 0,01 mm je Meter X/Y/Z-Verfahrweg und von 0,025 mm über die gesamten 7000 mm X-Weg zu. Zudem wurden zwei Überwachungskameras im Arbeitsraum platziert.
Peter Larcher: »Die Genauigkeitsanforderungen bei unseren Inkjet-Maschinen steht jener von Werkzeugmaschinen in nichts nach. Im Gegenteil: Bei Werkzeugmaschinen ist nur ein Punkt präzise zu positionieren, bei uns sind es zahlreiche Druckköpfe, die auf einer Ebene verteilt sind. Das erreichen wir nur über eine hochpräzise mechanische Bearbeitung. Wir müssen zudem Oberflächengüten Ra von kleiner 0,8 μm erzielen, sei es um bei einem Träger auf die gefräste Führungsschiene die Linearführung aufzuschrauben, sei es um bei den aus dem Vollen gefrästen Farbtanks, die im Anschluss noch eloxiert werden, jede Form von Ablagerungen zu vermeiden. Alle diese Anforderungen, auch jene im Hinblick auf die Geradheit, wie sie mein Kollege Angerer bereits thematisiert hat, erfüllt die Matec jederzeit prozesssicher.«
Innovation zum Quadrat
Bezogen auf die Kompetenz, innovative Lösungen zu erarbeiten, haben sich also zwei ebenbürtige Partner gefunden. So hat Matec den Einsatz von Nullpunktspannsystemen auf beiden Maschinen vorbereitet, Durst hat diese eigenständig aufgebaut und zum Schutz vor Spänenmit Blechen verkleidet. Auch in Brixen überzeugt die nebenzeitarme Pendelbearbeitung. Der stufenlos in beiden Achsen simultan schwenkbare und hydraulisch klemmbare Universalkopf mit einem Arbeitsbereich von jeweils ± 180° ermöglicht unter Einsatz entsprechender Tischaufbauten die umfängliche und hochgenaue 5-Seiten-Bearbeitung. Der NC-Rundtisch mit bis zu 2 t Zuladung erhöht die Flexibilität in Brixens Fertigung, weil ein benachbartes Paletten-Bearbeitungszentrum denselben Störkreis besitzt. Dank der Überwachungseinrichtungen und des flexibel nutzbaren, teilbaren Arbeitsraums läuft die Maschine über den normalen Zweischicht-Betrieb hinaus zeitweise auch mannlos. Viel mehr geht nicht.
Dieser Bericht wurde in der Fachzeitschrift W+B, 5/2015 veröffentlicht.
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